Bergsteigen – das Hobby für Profis
Umgeben von fantastischen Gebirgslandschaften gerät der Alltag schnell in Vergessenheit: Während des langen Aufstiegs auf den Gipfel hast Du die Möglichkeit, die Natur der Bergwelt in vollen Zügen zu geniessen und dabei körperlich und mental Deine Grenzen auszutesten. Wir erklären Dir, was das Bergsteigen ausmacht und welche Voraussetzungen Du für den Bergsport mitbringen solltest.
Voraussetzungen und Fähigkeiten fürs Bergsteigen
Die Grenzen zwischen den Bergsportarten Bergwandern und Bergsteigen verlaufen fliessend. Eine Kilometer- oder Höhengrenze kann nicht pauschal angelegt werden. Jedoch zeichnet sich das Bergsteigen dadurch aus, dass Du sowohl wegloses Terrain als auch einfache Kletterstellen überwindest, um das Ziel zu erreichen.
Das Bergsteigen in den Alpen wird auch oft als Alpinismus bezeichnet und beinhaltet das Bergwandern, die Erforschung der Berggebiete und teilweise das Bergführerwesen. Somit wird der Begriff „Bergsteigen“ oft als Oberbegriff für die Kombination aus verschiedenen Bergsportarten verwendet. Je nach Schwierigkeitsgrad und zurückgelegten Höhenmetern meisterst Du beim Bergsteigen folgende Wegabschnitte:
Mittelschwere bis schwere Bergwanderwege
Flache Gletschergebiete
Schrofen (ein steiler Hang, der mit Geröll übersät ist)
Kletterpassagen am Fels
Klettersteige
Führt Dich Deine Route höher als 3000 Meter, dann sprechen Bergsteiger von einer Hochtour [1]. Sie ist die Königsdisziplin des Bergsteigens. Da die Gletschergrenze ungefähr bei 3500 Metern liegt, bewegst Du Dich bei einer Hochtour auf eisigem und spaltenreichem Gletschergelände fort.
Damit Du als Bergsteiger in der Abgeschiedenheit der Berge sicher unterwegs bist, ist fundiertes Wissen über das Verhalten in den Bergen und Erfahrung im Bergwandern und Klettern am Fels nötig. Weiterhin sind folgende Voraussetzungen wichtig:
Trittsicherheit: Auf unterschiedlichen Untergründen wie Geröll oder Eis musst Du Dich sicher fortbewegen können.
Schwindelfreiheit: Beim Klettern oder an einer Felsspalte ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Orientierungsfähigkeit: Der sichere Umgang mit Karten, Kompass, Höhenmesser und GPS ist eine Grundvoraussetzung für die Orientierung in unerschlossenem Gelände.
Sehr gute Ausdauer: Eine Route zum Gipfel des Berges dauert einige Stunden und erfordert, dass Du etliche Höhenmeter zurücklegst.
Realistische Selbsteinschätzung: Damit Du in den Bergen nicht strandest oder Dich mit einer zu anspruchsvollen Tour überforderst, solltest Du Deine Kondition und Deine Fitness realistisch einschätzen können.
Möchtest Du den Sprung vom Bergwandern zum Bergsteigen oder zur Hochtour sicher meistern, bieten der Alpenverein und regionale Bergführer entsprechende Kurse und Schulungen an. Hier lernst Du, worauf Du als Bergsteiger achten musst, erhältst Sicherheitstipps und lernst eigenverantwortliches Bergsteigen.
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Wusstest du, dass...
Der Alpinismus wurde von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt. Die Begründung: „Das Klettern und Wandern im Gebirge basiert auf vielfältigem Wissen über die Natur- und Wetterverhältnisse sowie die eigenen körperlichen Fähigkeiten.“[2]
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Ausrüstung für eine Bergtour
Da Du beim Bergsteigen je nach Route unterschiedlich viele Höhenmeter hinter Dich bringst und somit auch unterschiedlichen Wetterbedingungen trotzen musst, sollte Deine Ausrüstung immer an die Tour angepasst sein. Achte trotzdem darauf, Dein Gepäck so leicht und effizient wie möglich zu halten. Hier ist ein leichter und ergonomischer Rucksack mit einem grossen Fassungsvermögen empfehlenswert. Eine mögliche Packliste fürs Bergsteigen könnte so aussehen[3]:
Knöchelhohe Bergschuhe mit einem rutschfesten, griffigen Profil
Steigeisen (geben auch auf Geröll guten Halt)
Kleidung nach dem Zwiebelprinzip (mit Thermounterwäsche und Isolationsjacke je nach geplanten Höhenmetern)
Gutsitzender Helm
Stirnlampe
Handschuhe und Mütze bei Touren in Höhenlagen
Ausreichend Verpflegung und Wasser
Karte, Wanderführer, Kompass
Sicherungsseil
Kletter- und/oder Gletscherausrüstung
Erste-Hilfe Set mit Rettungsdecke und aufgeladenem Notfallhandy
Biwaksack
Zudem ist auch in hohen Lagen der richtige Sonnenschutz wichtig, da die Sonne von Schnee und Eis reflektiert wird und somit intensiver auf Deine Haut einwirkt. Planst Du eine mehrtägige Tour, sollten auch Wechselsachen auf der Bergsteigen-Packliste nicht fehlen. Bei einer Übernachtung in einer Berghütte benötigst Du ausserdem noch einen Hüttenschlafsack, einen gepackten Kulturbeutel und ein kleines Handtuch.
Tipps zur Routenplanung
Ideen für mögliche Routen findest Du sowohl im Internet als auch in aktuellen Wanderführern und Karten. Hier werden Dir auch wichtige Informationen zur Länge, Höhendifferenz und Schwierigkeit der Route bereitgestellt. Wichtig ist: Schätze Deine Kondition und Fähigkeiten immer realistisch ein. Für Anfänger empfiehlt es sich, mit einem erfahrenen Bergsteiger oder Bergführer die erste Tour zu unternehmen. Bei der ersten eigenverantwortlichen Hochtour ist es ratsam, Routen zu Gipfeln zu wählen, die nicht höher als 2500 Meter sind.
Zudem ist für Bergsteiger-Anwärter bei den Kletterpassagen besondere Vorsicht geboten. Das Klettern am Fels in luftiger Höhe ist schwieriger als im sicheren Klettergarten. Beginne daher mit Kletterabschnitten, die zwei Schwierigkeitsgrade unter Deinem Leistungsniveau im Klettergarten liegen. So kannst Du sicher sein, dass Du ohne grössere Erschwernisse an Dein Ziel gelangst und Deine erste Bergtour erfolgreich abschliesst.
Damit Du die Anforderungen einer Tour besser einschätzen kannst, bewertet der Schweizer Alpen-Club Bergtouren mit einem Schwierigkeitsgrad zwischen T1 und T6. 1 bis 3 markieren hierbei Wander- und Bergwanderwege. Ab Schwierigkeitsstufe T4 wird eine umfangreiche alpine Erfahrung und die entsprechende Kondition benötigt. Im Detail besitzen die Schwierigkeitsstufen T4 bis T6 folgende Eigenschaften[4]:
T4 Alpinwandern (weiss-blau-weiss markiert): keine sichtbaren Wege, exponiertes Gelände, nahe der Gletschergrenze
T5 anspruchsvolles Alpinwandern (weiss-blau-weiss markiert): einfache Kletterstellen, exponiertes, anspruchsvolles Gelände, nahe der Gletschergrenze
T6 schwieriges Alpinwandern (meist unmarkiert): wegloses Gelände, viele anspruchsvolle Kletterstellen, exponiertes, anspruchsvolles Gelände, nahe der Gletschergrenze
Plane für Die Tour stets genug Zeit ein und berechne auch genügend Zeit für die Pausen ein. Wenn für die Route keine ungefähre Gehzeit angegeben wird, gelten folgende Orientierungen:
Ein Wanderer/Bergsteiger legt in einer Stunde folgende Distanzen zurück:
Aufstieg: 300 Höhenmeter
Abstieg: 500 Höhenmeter
Horizontale: 4 Kilometer
Bevor Du Deine Tour antrittst, solltest Du immer die Wettervorhersage kontrollieren. Das Wetter kann in den Bergen schnell umschlagen. Informiere Dich daher umfangreich über die Tour: Wo verläuft die Route? Wo gibt es Abkürzungen? Welche Abzweige sind wichtig? So kannst Du Dir im Notfall Alternativrouten zurechtlegen.
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Bedenke, dass...
Das Bergsteigen bietet ein einzigartiges Naturerlebnis. Auf teils unerschlossenem Gelände findest Du selbstständig Deinen Weg ans Ziel. Achte dabei auf ein umweltbewusstes Verhalten und auf die Regeln zum naturverträglichen Klettern.
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Schwierigkeitsbewertungen
Um Deine Bergtour erfolgreich abzuschliessen, solltest Du Deine Kondition realistisch einschätzen und eine Route wählen, die zu Deinen Fähigkeiten passt. Nachfolgend haben wir Richtwerte für Dich zusammengestellt, die Du für die Routenplanung nutzen kannst[5]:
Geringe Kondition: Touren mit bis zu 800 Höhenmeter Aufstieg – Bis zu 5 Stunden Gehzeit
Mittlere Kondition: Touren mit bis zu 1200 Höhenmeter Aufstieg – Bis zu 7 Stunden Gehzeit
Gute Kondition: Touren mit bis zu 1600 Höhenmeter Aufstieg – Bis zu 10 Stunden Gehzeit
Sehr gute Kondition: Touren über 1600 Höhenmeter Aufstieg – Über 10 Stunden Gehzeit
Der Schwierigkeitsgrad der Kletterpassagen wird im Alpenraum häufig anhand der internationalen UIAA-Skala angegeben. Diese reicht in römischen Ziffern von I bis XII. Dabei steht I für sehr leicht. Die Schwierigkeit und die benötigten Fähigkeiten steigen dann mit jeder weiteren Ziffer. Ab V unterteilt sich die Skala in „+“ und „-“. Somit ist V- etwas leichter und V+ etwas schwerer als V.
Im französischsprachigen Teil der Schweiz könnte Dir auch die französische Kletterskala begegnen. Diese orientiert sich an der UIAA-Skala, benutzt jedoch die Ziffern 1 bis 9. 1 bedeutet „geringe Schwierigkeit“. Ab der Schwierigkeitsstufe 5 teilt sich die Skala in die zusätzlichen Buchstaben a, b und c. Zudem kann ein „+“ für eine besondere Schwierigkeit angehängt werden. So ist ein Kletterabschnitt mit der Kennzeichnung 5a+ etwas schwerer als 5a, jedoch sind 5b und 5c anspruchsvoller als 5a(+).
Bei den Klettersteigen werden zwei verschiedene Skalen verwendet. Die Schall-Skala reicht von A bis F, wobei A leicht und F extrem schwer bedeuten. Die Hüsler-Skala gibt die Schwierigkeit im Bereich von K1 bis K6 an, wobei K1 leicht und K6 extrem schwer ausdrücken.
Achte jedoch darauf, dass die meisten Länder und Regionen auch eigene Kennzeichnungen für Wanderwege und Schwierigkeitsgrade für Kletterpassagen, -steige und Hochtouren verwenden. Informiere Dich daher vor Deiner Tour über die regionalen Bewertungsskalen.
Sicherheitshinweise für das Verhalten in den Bergen
Als Bergsteiger solltest Du nicht allein in den Bergen unterwegs sein. Gruppen zwischen 2 bis 6 Personen sind empfehlenswert, damit Ihr euch im Notfall helfen und unterstützen könnt. Aber auch die gegenseitige Motivation und die gemeinsamen Erlebnisse in der Natur sind in einer Gruppe schöner.
Um als Bergsteiger sicher unterwegs zu sein, solltest Du zudem folgende Verhaltensregeln beachten:
Informiere Wirtshaus und Angehörige über die Route, Routenänderungen und die ungefähre Ankunftszeit. Sie können so im Notfall Informationen über Deinen Aufenthaltsort geben.
Meide bei Gewitter exponierte Stellen und deren Umgebung. Am besten suchst Du hier
Schutz in einer Hütte. Ist keine in der Nähe, dann kauere Dich mit geschlossenen Beinen an einer flachen Stelle auf eine isolierende Fläche (z.B. einen Rucksack) [6].
Bei Hochtouren müssen alle Gruppenmitglieder die richtige Sicherungs- und Rettungstechnik bei Spalten und Gletschern beherrschen.
Planst Du eine Hochtour in Höhen über 2500 Meter, ist es ratsam, langsam aufzusteigen
und sich an die Höhenluft zu gewöhnen. In den mittleren Höhenlagen der Alpen solltest Du ein bis zwei Akklimatisierungstouren unternehmen und Übernachtungen in einer Almhütte einplanen.
Zudem ist es hilfreich, wenn Du Dir die örtlichen Notrufnummern einprägst oder griffbereit notierst. In einer Notlage kannst Du Hilfe unter folgenden Nummern anfordern:
Europäische Notrufnummer: 112
Bergrettung Schweiz: 144
Bergrettung Österreich: 140
Bergrettung Italien/Südtirol: 118
Bergwacht Deutschland: 112
Funktioniert Dein Handy nicht, kannst Du das alpine Notsignal [7] nutzen. Dafür gibst Du 6-mal pro Minute (also etwa alle 10 Sekunden) ein Zeichen von Dir. Hierfür kannst Du eine Signalpfeife verwenden, rufen, Lichtzeichen geben oder mit einer Jacke winken. Entdeckst Du einen alpinen Notruf, dann solltest Du Die Bergrettung informieren und das alpine Notsignal bestätigen. Dafür erwiderst Du 3-mal pro Minute (also etwa alle 20 Sekunden) den Notruf, indem Du in ähnlicher Weise auf Dich aufmerksam machst.
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Wusstest du, dass...
Hast Du in den Bergen keinen Empfang, starte das Handy neu. Gib nun statt der PIN-Nummer die 112 ein und setze einen Notruf ab. Das Handy sucht sich nun das stärkste Netz.
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Fazit
Als Bergsteiger wanderst Du durch unberührte Berggebiete und erklimmst die Gipfel der Berge. Dafür benötigst Du Erfahrungen im Bergwandern und Klettern, um sicher an Dein Ziel zu gelangen und die Bergtour geniessen zu können. Plane im Vorfeld Deine Tour sorgfältig und beachte die Schwierigkeitsgrade der Wege, Kletterpassagen und -steige, damit Deine Tour perfekt zu Dir passt. In einer kleinen Gruppe von 2 bis 6 Personen kannst Du so die Natur der Bergwelt geniessen und den Alltag vergessen.
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Quellen und weiterführende Literatur:
[1]https://www.alpenverein-muenchen-oberland.de/unser-service-fuer-unsere-mitglieder/bergsport/bergsteigen
(abgerufen am 10.01.20)
[2]https://www.nau.ch/news/amerika/unesco-nimmt-tradition-des-bergsteigens-auf-welterbe-liste-auf-65627423
(abgerufen am 20.01.20)
[3]https://www.sac-saas.ch/Tourenprogramm/Dokumente/packliste.html
(abgerufen am 10.01.20)
[4]https://www.sac-cas.ch/fileadmin/Ausbildung_und_Wissen/Tourenplanung/Schwierigkeitsskala/Wanderskala-SAC.pdf
(abgerufen am 20.01.20)
[5]https://www.sac-hohewinde.ch/data/Downloads/Diverses/Anforderungsliste.pdf
(abgerufen am 20.01.20)
[6]https://www.sicher-bergwandern.ch/bergwander-check-peak/kontrolle/verhalten-bei-gewitter/(
(abgerufen am 20.01.20)
[7]https://www.jugendundsport.ch/content/jus-internet/de/sportarten/skitouren-uebersicht/aus-und-weiterbildung/_jcr_content/contentPar/tabs_copy/items/dokumente/tabPar/downloadlist_2028361_727698519/downloadItems/946_1460030200119.download/notfallblatt_sac_js_d.pdf(
(abgerufen am 20.01.20)
Bildquellen:
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