Barrierefrei studieren: Beratung für das Studieren mit Behinderung*
Die Rahmenbedingungen an der zukünftigen Hochschule sind für Studierende mit einer Behinderung oder chronischen Krankheit ausschlaggebend, damit sie während ihrer Studienzeit die gleichen Chancen wahrnehmen können wie ihre Kommilitonen. Für Studierende mit Behinderung oder einer chronischen Krankheit bieten Hochschulen daher individuelle Massnahmen und Ausgleichsangebote an, um Barrieren im Studium abzubauen. Sowohl in Bezug auf den Studienplan als auch für die Zugänglichkeit des Hochschulgeländes gibt es Lösungen, die dir Hürden nehmen und einen normalen Studienalltag ermöglichen. Hier erfährst du, wie Nachteilsausgleiche, Studienassistenzen und studienbegleitende Hilfen dich entlasten können.
Studieren mit Behinderung: Was ist ein Nachteilsausgleich?
Ein Studium hat einen gut geregelten Ablauf mit Lern- und Prüfungsphasen, die mit bestimmten Fristen und Vorgaben verbunden sind. Die Möglichkeit des Nachteilsausgleichs trägt zur Chancengleichheit im Studium bei. So wird auch Studierenden mit einer Bewegungs- oder Sinnesbeeinträchtigung sowie einer psychischen oder körperlichen chronischen Erkrankung ermöglicht, die Anforderungen des Studiums ohne Probleme erfüllen zu können. Zudem kannst du durch Sonderregelungen und individuelle Absprachen das Studium noch einmal an deine Bedürfnisse anpassen.
Der Anspruch auf Nachteilsausgleich für Studierende mit einer Beeinträchtigung ist gesetzlich verankert. Ansprechpartner für deine Anliegen zum Studieren mit Behinderung sind:
der Behindertenbeauftragte deiner Hochschule
die Zentrale Studienberatung oder Fachstudienberatung
Studierendenvertretungen (z. B. Fachschaften)
Wenn du ein Studium beginnst, solltest du die Ansprechpartner und Dozenten rechtzeitig über deine Wünsche und Bedürfnisse informieren. Auf diese Weise kannst du sicher sein, dass du rechtzeitig zum Studienbeginn alle Unterstützungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen kannst. Welche Nachteilsausgleiche und Hilfsangebote dir zur Verfügung stehen, erfährst du in den folgenden Abschnitten.
Nachteilsausgleiche bei der Zulassung/Immatrikulation
Bei der Bewerbung für ein Studium solltest du darauf achten, dass du alle Zulassungsbedingungen erfüllst. Dann kannst du meistens wie geplant mit dem Studium beginnen. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, Sonderanträge zu stellen, um deine Chancen auf einen Studienplatz zu erhöhen. Einerseits gibt es die Anträge auf Nachteilsausgleich zur Verbesserung der Durchschnittsnote oder der Wartezeit, wenn du z. B. nachweisen kannst, dass deine Beeinträchtigung Einfluss auf deine Maturanote genommen hat.
Wenn du trotz erfüllter Voraussetzungen nicht angenommen wirst, kannst du unter Umständen einen Härtefallantrag stellen. Für den Antrag solltest du eine der drei Begründungen anführen können:
Du leidest an einer Krankheit, die dazu tendiert, sich zu verschlimmern.
Du kannst durch eine Beeinträchtigung nur bestimmte Berufe ausüben, die das angestrebte Studium voraussetzen.
Du kannst die Wartezeit bis zur Zulassung nicht sinnvoll überbrücken.
In Einzelfällen kannst du deinen Härtefallantrag aber auch mit einer anderen Begründung einreichen. In jedem Fall ist bei einem Antrag, der beispielsweise durch eine Behinderung begründet wird, ein Nachweis darüber erforderlich.
Studieren mit Behinderung: Nachteilsausgleiche im Studienalltag
Viele Universitäten unterstützen dich dabei, dein Studium so zu organisieren, dass es perfekt zu dir und deinen Bedürfnissen passt. Studierende mit Behinderung oder einer chronischen Erkrankung können sich daher häufig einen individuellen Studienplan zusammenstellen. Dabei kannst du dein Vollzeitstudium so planen, dass du alles stressfrei schaffst und gute Leistungen erzielen kannst. Eine weitere Möglichkeit ist ein reguläres Teilzeitstudium, bei dem du nur die Hälfte der Wochenstunden eines Vollzeitstudiums absolvierst. Dadurch verlängert sich allerdings die gesamte Studienzeit. Abhängig von deiner persönlichen Situation kannst du auch von einem Teilzeit- in ein Vollzeitstudium wechseln.
Auch im Rahmen der einzelnen Lehrveranstaltungen und des Studienablaufs nehmen Hochschulen Rücksicht auf Studierende mit Beeinträchtigung:
Teilnehmerbeschränkte Lehrveranstaltungen: Bei der Auswahl von Teilnehmern für eine Veranstaltung mit begrenzten Plätzen erhältst du Vortritt vor anderen Studierenden. Das hilft dir dabei, deinen individuellen Stundenplan erfüllen zu können.
Anwesenheitspflichten: Manchmal ist es Studierenden mit Beeinträchtigung unter Umständen nicht möglich, an allen Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Daher kannst du mit deinem Dozenten individuelle Ausnahmen absprechen und Alternativen für die Teilnahme oder geforderte Leistungsnachweise in Anspruch nehmen. So kannst du Kurse bestehen, auch wenn du nicht immer daran teilnehmen kannst.
Studienlehrplan: Praktika, Laborarbeiten oder Exkursionen sind oft ein fester Bestandteil des Studienlehrplans und müssen für einen erfolgreichen Abschluss absolviert werden. Bei Bedarf können Studierende mit Behinderung oder einer chronischen Erkrankung diese Abschnitte des Studiums auf mehrere Zeiträume verteilen oder verlegen, sodass du den Studienlehrplan ohne Einschränkungen erfüllen kannst. In einzelnen Fällen kannst du stattdessen auch Ersatzleistungen erbringen.
Auch in Hochschulbibliotheken gibt es Unterstützung für das barrierefreie Studium. Du kannst verlängerte Ausleihfristen nutzen oder dir für Hausarbeiten feste Arbeitsplätze reservieren lassen, die über eine behindertengerechte Ausstattung verfügen. Das Bibliothekspersonal unterstützt dich auch dabei, Literatur zu finden und zu beschaffen.
Nachteilsausgleiche bei Prüfungen
Auch in Prüfungssituationen kann durch besondere Regelungen die Chancengleichheit gefördert werden. Die Hochschule kann die Prüfungszeit verlängern, wenn Studierende mit Behinderung oder einer chronischen Erkrankung öfter oder längere Pausen benötigen. Ausserdem kann die Prüfung in einem separaten Raum stattfinden. Auf diese Weise kannst du zum Beispiel in einer ruhigeren Atmosphäre arbeiten und/oder du hast die Möglichkeit, an einem behindertengerechten Arbeitsplatz zu sitzen. Bei Bedarf kannst du auch Prüfungen in anderen Formen ablegen, zum Beispiel schriftlich statt mündlich oder einzeln statt in einer Gruppe. So kannst du dich besser und individueller auf die Prüfungsaufgaben fokussieren.
Zudem bieten Hochschulen die Möglichkeiten, Abgabefristen für Haus- und Abschlussarbeiten zu verlängern. Damit hast du die gleichen Chancen wie andere Studierende, eine umfangreich recherchierte und strukturierte Arbeit zu schreiben. Voraussetzungen für eine Fristverlängerung sind, dass
deine Arbeitsfähigkeit durch deine Behinderung dauerhaft eingeschränkt ist
dir nicht ausreichend Literatur zur Verfügung steht, die auf deine Beeinträchtigung angepasst ist
du aufgrund einer chronischen Erkrankung regelmässige Ruhepausen einlegen musst
Prüfungsunterlagen sollten immer behindertengerecht bereitgestellt werden. Studierende mit einer Sehbehinderung benötigen zum Beispiel Unterlagen in Grossdruck oder Aufgaben als Audiodateien.
Voraussetzungen für Nachteilsausgleiche im Studium
Um Nachteilsausgleiche im Studium in Anspruch nehmen zu können, musst du einen Antrag beim Studiendekanatstellen. Darin beschreibst du, welche Anpassung du im Studienalltag oder in Prüfungen benötigst. Als Beleg ist immer ein Nachweis deiner Beeinträchtigung notwendig, zum Beispiel in Form eines Attests, eines Schwerbehindertenausweises oder einer Stellungnahme des Behindertenbeauftragten deiner Hochschule.
Hilfsmittel und Assistenzen für das barrierefreie Studieren
Neben den verschiedenen Möglichkeiten, die Studierende mit Behinderung an der Hochschule nutzen können, gibt es noch viele weitere Angebote, die dich im Studienalltag und bei der Organisation deines Studiums unterstützen können. Einerseits kannst du technische Hilfsmittel in Anspruch nehmen. Dazu zählen beispielsweise Laptops mit Sprachausgabe für Legastheniker, Mikroportanlagen für Hörgeschädigte oder Blindenschriftdrucker für Studierende mit einer Sehbehinderung. Einige Hilfsmittel stellen die Hochschule oder die Studentenwerke (leihweise) zur Verfügung, wie eine mobile Anstellrampe, eine Mikroportanlage oder spezielle Ausstattungen an Computerarbeitsplätzen.
Ausserdem kann dir eine Studienassistenz helfen, den Hochschulalltag zu meistern. Wer deine Studienassistenz übernehmen soll, kannst du selbst entscheiden. In einigen Fällen können deine Kommilitonen oder Tutoren in diese Rolle schlüpfen. Für die Beauftragung einer Studienassistenz bist du selbst verantwortlich. Wenn du dabei Hilfe benötigst, kannst du dich an den Behindertenbeauftragten deiner Hochschule oder Studienvertretungen wenden. Hörbehinderte Studierende benötigen ausserdem häufig einen Gebärdensprach- oder Schriftdolmetscher. Eine Studienassistenz unterstützt dich je nach Bedarf unter anderem bei:
der Mitschrift in Vorlesungen
dem Lesen von Texten
der Recherche von Literatur
der Vor- und Nachbereitung des Lehrstoffs
So erhältst du alle wichtigen Studieninhalte und kannst dich ideal auf Prüfungen vorbereiten.
Studieren mit Behinderung: Barrierefreiheit auf dem Hochschulgelände
Bevor du dich für einen Studienplatz bewirbst, solltest du genau recherchieren, ob deine gewählte Hochschule über die passenden Rahmenbedingungen z. B. in Bezug auf Mobilität, medizinische Versorgung, Wohnen oder studienbegleitende Hilfen verfügt. Im Idealfall solltest du dich dabei nicht nur auf Berichte aus zweiter Hand stützen, sondern deine Wunschhochschule vorab selbst besuchen und dir persönlich einen Eindruck verschaffen. Auch individuelle Beratungsgespräche können dabei hilfreich sein.
Welche Anforderungen sollte eine barrierefreie Hochschule erfüllen?
Zu einem barrierefreien Studium gehört auch, dass du alle Räume ohne Hürden erreichen und nutzen kannst. Ist das nicht der Fall, können Lehrveranstaltungen womöglich in andere Räume verlegt werden, die deinen Anforderungen entsprechen. Du hast zudem die Möglichkeit, einen Antrag für Nachrüstungen, die zur Barrierefreiheit beitragen, zu stellen. Das kann zum Beispiel der Bau einer kurzen Rampe sein, damit du einen Raum mit dem Rollstuhl erreichen kannst. In anderen Fällen muss vielleicht spezielle Ausstattung, wie unterfahrbare Tische, angeschafft werden. Dadurch kannst du ohne Einschränkungen an allen Lehrveranstaltungen teilnehmen und gibst deiner Hochschule wichtige Impulse, wie sie Hörsäle auch für andere barrierefreier gestalten kann.
Weitere Angebote, die eine barrierefreie Hochschule anbietet, sind:
behindertengerechte Toiletten
Behindertenparkplätze
Ruheräume
Arbeitsräume mit Hilfsmitteln
Umsetzungsdienste, die Studienmaterialien anpassen (z. B. Braille-Drucker)
Neben dem barrierefreien Studieren ist auch barrierefreies Wohnen an vielen Hochschulen möglich. Viele Zimmer in Studentenwohnheimen sind rollstuhlgerecht und für Allergiker sowie Studierende mit einer Seh- oder Hörbehinderung angepasst. Bei der Bewerbung um einen Wohnheimplatz werden Studierende mit einer Beeinträchtigung meistens bevorzugt, da die Plätze begrenzt sind und dir so kurze Wege auf dem Campus ermöglicht werden.
Studieren mit Behinderung: Finanzierung von Studien- und Mehrkosten
Wie andere Studierende können Studierende mit einer Beeinträchtigung finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für das Studium in Anspruch nehmen. Zum Beispiel kannst du mithilfe von Ausbildungsbeiträgen oder Bildungsdarlehen deinen Lebensunterhalt und die Studienkosten finanzieren. Beim Studieren mit Behinderung oder einer chronischen Erkrankung können aber auch weitere Kosten entstehen, wenn du Hilfsmittel anschaffen oder dein Studium für einen gewissen Zeitraum unterbrechen musst. Daher gibt es Stipendien, die sich speziell der finanziellen Unterstützung von Studierenden mit Behinderung widmen. Ein Anbieter ist die Gertrud Rüegg Stiftung. So kannst du alle Unterstützungsangebote im Studium in Anspruch nehmen und ohne Hürden studieren.
Fazit: Studieren mit Behinderung – Nachteilsausgleiche und Hilfen
Für Studierende mit Behinderung oder chronischen Krankheiten stehen im Studium verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung, durch die die Chancengleichheit erhöht werden soll. Durch individuelle Absprachen mit Behindertenbeauftragten, dem Studiendekanat und den Lehrenden lassen sich barrierefreie Lösungen finden, die deinen Bedürfnissen entsprechen. Nachteilsausgleiche sowie technische Hilfsmittel und Studienassistenzen erleichtern dir den Studienalltag, sodass du dich ohne Sorgen auf dein Studium konzentrieren kannst.
* Dieser Ratgeber fasst allgemeingültige Informationen zur Studienorientierung, -vorbereitung und -finanzierung zusammen, um angehenden Studierenden den Studienstart zu erleichtern. Diese Informationen beziehen sich nicht konkret auf Ausbildungsmöglichkeiten oder Berufsbilder bei C&A.
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Quellen und weiterführende Literatur
https://www.disabilityoffice.uzh.ch/de.html
(aufgerufen am 31.01.2023)
https://www.phbern.ch/sites/default/files/2019-11/20190529_Grundlagendokument_NAM_IS1.pdf
(aufgerufen am 31.01.2023)
https://www.enableme.ch/de/artikel/stipendien-fur-menschen-mit-behinderung-1646
(aufgerufen am 31.01.2023)
https://www.studentenwerke.de/de/content/barrierefreiheit
(aufgerufen am 31.01.2023)
Bildquellen
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